Michael "Bully" Herbig hat Maßstäbe im deutschen Fernsehen wie auch in der deutschen Kinolandschaft gesetzt. Seine Sendungen und Filme sind Publikumsmagneten, mit seinem ersten Streifen "Der Schuh des Manitu" hat er neue Besucherrekorde aufgestellt, als rund 12 Millionen Besucher seinen Film sehen wollten. Auch die nachfolgenden Filme, darunter "(T)Raumschiff Surprise" und "Wickie und die starken Männer" waren reinstes Kassengold. Als er sich als Schauspieler dem ernsteren Metier zuwandte, blieben die Erfolge jedoch aus. Nun wagt er sich bei "Ballon" wieder hinter die Kamera und verfilmt eine der spektakulärsten Fluchten aus der DDR. Jetzt liegt dieser Film auch auf BluRay und DVD vor.
Die Familien Strelzyk und Wetzel haben über zwei Jahre einen waghalsigen Plan geschmiedet: Mit einem selbst gebauten Heißluftballon wollen sie die Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland überwinden und in den Westen fliehen. Kurz vor dem ersten Fluchtversuch macht Familie Wetzel einen Rückzug, weil sie bedenken haben und ihnen der Plan doch als zu riskant erscheint. So starten die Strelzyks alleine. Kurz vor der Grenze stürzt der Ballon ab. Familie Strelzyk kann sich gerade noch in Sicherheit bringen, doch das Ministerium für Staatssicherheit findet Spuren des Fluchtversuchs und ermittelt in großem Stil. Zurückgelassene Medikamente könnten die Stasi auf ihre Spur führen. Für einen zweiten Fluchtversuch steht Familie Wetzel wieder bereit, und so beginnen unter großem Zeitdruck die Vorbereitungen, um einen noch größeren Heißluftballon zu bauen, der acht Personen tragen kann. Mit diesem zweiten Ballon wollen sie eine erneute Flucht wagen, müssen sich bis dahin aber möglichst unauffällig verhalten. Dazu müssen sie nun schneller sein als die Stasi, wenn diese Flucht in den Westen gelingen soll.
Der Film liegt auf BluRay in der deutschen Sprachfassung (Dolby Atmos und Stereo PCM) vor. An Bonus-Material findet sich neben der 20-minütigen Featurette "Was für ein Aufwand: Ein Hintergrundbericht von den Dreharbeiten und den Zeitzeugen" die weiteren Specials "Die Requisiten", "Die Nachbildung des Ballons", "Über die Geschichte" und "Über die Einbindung der Zeitzeugen" sowie ein Making Of.
Der Film beruht auf der wahren Geschichte der beiden Familien, die diese ungewöhnliche Flucht vor genau 40 Jahren gewagt haben. 30 Jahre nach dem Mauerfall soll ihre Geschichte neu erzählt werden.
Das Drehbuch stammt von Kit Hopkins, Thilo Röscheisen und Michael Herbig, die Regie hat Herbig selbst übernommen. Bei der Drehbucherstellung wie auch beim Filmdreh waren die beiden Familien als Berater tätig, um ihre Geschichte möglichst authentisch erzählen zu können. In einer der letzten Sequenzen am Flugplatz gibt es sogar einen kurzen Auftritt im Film und so sieht man Familie Wetzel kurz im Spiegelbild sitzen.
Die erste Verfilmung ihrer Geschichte aus dem Jahre 1982, "Mit dem Wind nach Westen", war eine US-amerikanische Produktion aus dem Hause Disney, die sich aus dramaturgischen Gründen nicht immer an die Fakten gehalten hat. Ein Remake dieses Films war aufgrund der damals mit Disney abgeschlossenen Verträge mit den beiden Familien nicht möglich, und so musste Michael Herbig erst einen Beratervertrag mit Disney abschließen, um "Ballon" überhaupt realisieren zu können. Als Kind hatte er den Disney-Film gesehen, und seit dem hatte ihn diese Geschichte beschäftigt, so dass er sie für ein neues Publikum selbst produzieren und als Regisseur inszenieren wollte.
Die Zuschauer werden aber mitten in die Geschichte geworfen. So ist zu Beginn des Films der erste Ballon längst fertig, die Familien bereit zur Flucht. Die Beweggründe, wieso sie überhaupt flüchten wollen, bleiben offen. Ebenso wird nicht erklärt, unter welchen Umständen der Ballon gebaut wurde und wieso sie sich überhaupt für dieses Gefährt entschieden hatten.
Ebenso ausgespart wird in "Ballon", aufzuzeigen, wie es den beiden Familien ergangen ist, nachdem sie in der Bundesrepublik Deutschland angekommen waren, und wie sie auch im Westen von der Stasi verfolgt wurden. Es wird lediglich gezeigt, wie das Ehepaar Strelzyk zehn Jahre nach der dramatischen Ballon-Flucht im Fernsehen verfolgt, wie die DDR-Flüchtlinge in der Prager Botschaft die Nachricht ihrer Ausreise erhalten und wie Günter Wetzel eine Zeitung mit der Schlagzeile zur Maueröffnung sieht.
Die Hauptrollen haben Friedrich Mücke, Karoline Schuch, David Kross, Alicia von Rittberg und Thomas Kretschmann übernommen. Letzterer hatte seine ganz eigenen Erfahrungen mit der DDR und der Stasi gemacht, da er damals selbst die Flucht gewagt hat, weshalb es auch für ihn ein sehr emotionaler Dreh war.
Herbig hat jahrelang die Geschichte gelebt und bei der Filmproduktion auf jedes kleine Detail geachtet und erzählt mit "Ballon" einen hochspannenden und dramatischen Film. Das Leben der beiden Familien sowie deren Beweggründe für die Flucht hat er bei der Verfilmung zu sehr aus dem Blick verloren, und so bleibt von der gesamten Geschichte nur die dramatische Flucht selbst übrig. Bei dem über zweistündigen Film wäre bestimmt auch Zeit gewesen, diese Hintergründe zumindest anzuschneiden.
Dennoch ist "Ballon" ein sehr spannendes Stück Zeitgeschichte, das vor allem im Schulunterricht genutzt werden sollte, um die dramatischen Fluchtversuche aus der DDR faktenreich zu erzählen.
Zwar wurde Michael Herbig für seinen Film von der Kritik und den Zuschauern für seinen neuen Film gefeiert, doch der erhoffte große Erfolg an der Kinokasse blieb bei nur knapp 800.000 Besuchern aus. Weitere Ehren soll "Ballon" während des diesjährigen Filmfest München erfahren, wenn er mit dem Friedenpreis des deutschen Films ausgezeichnet wird.
D 2018, 125 Minuten
mit Friedrich Mücke, Karoline Schuch, David Kross