Dieter Hallervorden ist mit seinen 81 Jahren gefragt wie nie. In den 1970er Jahren hat er den Klamauk ins deutsche Fernsehen gebracht und zum Kult gemacht. Danach hat er sich dem politischen Kabarett verschrieben, ist seit dem Intendant seines Theaters in Berlin, daneben betreibt er weiterhin seine "Wühlmäuse"-Bühne. Mit "Sein letztes Rennen" hat er ein riesiges Comeback im deutschen Kino, für seine Rolle in "Honig im Kopf" wurde er zurecht mit Preisen überhäuft. Er ist einer der ganz großen Charakter-Darsteller, den Deutschland noch hat. Nun brilliert er erneut in der Rolle des mit sich und dem Leben unzufriedenen Uwe in Ostfriesland.
Uwe hat alles verloren, nachdem seine Frau Elfriede gestorben war. Alles ist weg, sein Geld, sein Haus, seine Freunde, seine Zuversicht. Nebenbei verdient er sich noch etwas Geld in einer Tankstelle, an die sich nur selten jemand verirrt. Zudem redet er ausschließlich plattdeutsch.
Der umtriebige Bürgermeister Dietmar Holthagen möchte sein Städtchen erhalten und so hat er durch die Einreichung sehr kreativ gehaltener Unterlagen den Zuschlag bekommen, ausländische Fachkräfte im Auftrag der Bundesregierung zu qualifizieren und durch den Integrationstest zu bringen. Als Schulungszentrum möchte er Uwes altes Haus nutzen, die Fördergelder über 1,2 Millionen Euro dem Städtchen, in dem es kaum noch Arbeitsplätze gibt, zu Gute kommen lassen. Nur hat er die Rechnung ohne Uwe gemacht, und ausgerechnet der soll die ausländischen Gäste unterrichten. Da hilft es nicht besonders, dass die Projektleiterin Vroni Lautenschläger, die eigens mit angereist ist, nur gegen ihren Willen in Ostfriesland gelandet ist.
Der Film liegt auf DVD in der deutschen Sprachfassung (Dolby Digital 5.1) vor. Für die plattdeutschen Passagen liegt eine Teiluntertitelung auf deutsch vor. An Zusatzmaterial finden sich Interviews mit Cast unf Crew sowie eine B-Roll.
Das ist mal ein ganz neuer Ansatz, ausländische Fachkräfte nach Ostfriesland zu bringen, um sie für den Integrationstest und den deutschen Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Daher bietet das Drehbuch jede Menge Möglichkeiten, auf Dinge hinzuweisen, die in Deutschland nicht immer ganz rund laufen, auch wenn der Plot nicht ganz zu Ende gedacht ist und deutliche Schwächen aufzeigt, die durch den Hauptdarsteller wieder glatt gebügelt werden. Dazu bedient man sich sturer, ostfriesischer Charaktere und eine ausgesuchte Besetzung, allen voran Dieter Hallervorden, der als Uwe überzeugt, und das nicht nur mit seinen norddeutschen Sprachkenntnissen. Der weitere Cast wird herrlich ergänzt durch Holger Stockhaus, der den Bürgermeister gibt, und Victoria Trauttmansdorff, die die Projektleiterin des Integrationslehrgangs mimt. Da bleibt leider nur wenig Raum für die Darsteller der ausländischen Gäste, die es nach Ostfriesland verschlägt, und so bleiben deren Rollen recht blutleer.
Auf keinen Fall sollte man bei "Ostfriesisch für Anfänger" eine leichte Komödie erwarten, nur weil Dieter Hallervorden mitspielt. Er ist einmal mehr der große Charaktermime, mit dem man nur mitleiden kann, hat man ihn erst einmal ins Herz geschlossen, was er den Zuschauern auch nicht gerade leicht macht.
Insgesamt ist "Ostfriesisch für Anfänger" ein prima Lehrstück über Integration, Einsamkeit in der eigenen Heimat, die Zukunft Deutschlands, aber auch über das Aussterben alter Dialekte, die kaum noch jemand spricht. Immerhin sieht die europäische Charta vor, friesisch, sorbisch und platt als Amtssprachen anzuerkennen. Bleibt nur noch, Menschen zu finden, die diese Sprachen sprechen und pflegen, bevor sie ganz aussterben. Es wäre schade darum.
D 2016, 91 Minuten
mit Dieter Hallervorden, Holger Stockhaus, Victoria Trauttmansdorff