Indie-Perle. Ein Wort, das noch häufiger fälschlicherweise Verwendung findet als das vielgerühmte ‚Meisterwerk’. Die meisten Perlen entpuppen sich nämlich bei näherer Betrachtung als billige Imitate als echte Schmuckstücke. „So finster die Nacht“ nicht.
Der 12-jährige Schwedenjunge Oskar ist ein ziemlich geplagtes Kind. Die Eltern sind geschieden und als Einzelgänger wird er von seinen Klassenkameraden schikaniert flüchtet er sich jeden Abend auf den schneebedeckten Hinterhof der Blockhaussiedlung und baut seine angestaute Wut ab, indem er mit einem Messer imaginierte Opfer in Baumstämmen malträtiert. Sein frustreiches Dasein ändert sich jäh, als die gleichaltrige Eli mit ihrem Vater in das Nachbarhaus einzieht. Zeitgleich mit der Ankunft der selbstbewussten Nachbarin in dem kleinen verschlafenen Dorf hält eine Mordserie die Bewohner in Atem, die vor allem durch ihre ausgesaugt blutleeren Opfer den Weg in die lokalen Schlagzeilen findet. Oskar, nicht auf den Kopf gefallen, kombiniert recht schnell, dass seine neue Freundin, der die anhaltende Kälte nichts auszumachen scheint und die einen eigenartigen Körpergeruch versprüht, etwas mit der Sache zu tun haben muss. Ein waschechtes Vampirmädchen ist in seine Nachbarschaft gezogen.
Dem schwedischen Regisseur Tomas Alfredson ist mit „So finster die Nacht“ ein außergewöhnlicher Genremix gelungen. Mit Leichtigkeit kombiniert er klassische Horrormotive mit tiefgreifender Romantik, begießt verträumte Zärtlichkeiten mit scharlachroten Blutfontänen. Im Mittelpunkt steht die tiefe Freundschaft des ungleichen Paares, porträtiert von zwei herausragenden Kinderdarstellern. Alfredson versteht es dabei die Emotionen seiner kleinen Helden gekonnt in seine Bildsprache zu kleiden. Der schüchterne und introvertierte Oskar stapft in kühlen, perfekt durchkomponierten und fotografierten Bildern durch die klirrende Winterlandschaft. Es ist als wäre das Gefühl frisch gefallenen Schnees, der die Erde bedeckt und jedes Geräusch betäubt auf die Leinwand gezaubert worden. Ein stimmungsvoller Score, der das komplette Spektrum von Thriller bis Romanze umspannt, fügt sich dabei auch auf auditiver Ebene nahtlos in das Bild ein.
Für Filme über Jugendfreundschaften gibt es viele gute Beispiele. „Stand by me“ oder die „Goonies“ verstehen es sehr gut dieses einzigartige Gefühl von Zeitgeist und der Gefühlswelt eines Teenagers zu kombinieren. „So finster die Nacht“ geht hier noch einen Schritt weiter und blickt mit messerscharfer Beobachtung und bedeutungsschwangeren Bildern hinter die Fassade pubertierender Lebensnöte. Das unterscheidet eben die echte Perle vom Imitat.
S 2008, 114 Min, mit Kare Hedebrant, Lina Leandersson
„So finster die Nacht“ startet am 23. Dezember in den deutschen Kinos.