Meine Depression
Der Berliner Spaßmacher Kurt Krömer gehört zu den bekanntesten und besten Comdedians in Deutschland. Seit fast 20 Jahren hat er eigene Sendungen im Fernsehen, er spielt aber auch Theater, hatte Auftritte in einigen Spielfilmen (auch Hauptrollen) und tritt regelmäßig mit seinen Kabarett-Programmen auf. Auf Anhieb könnte man ihn als einen sehr lustigen Menschen mit einem teils hintergründigen Humor bezeichnen.
Im März 2021 ließ er aber in seiner Sendung "Chez Krömer", bei der Comedian Torsten Sträter zu Gast war, eine Bombe platzen, die niemand hat kommen sehen: Er offenbarte seiner Zuschauerschaft, dass er seit 30 Jahren Depressionen hat.
In dieser teils sehr emotionalen Sendung erzählte er seinem Freund Torsten, der selbst depressiv ist, wie er sich jahrelang gefühlt hat, wie er damit umging und wie er sich irgendwann Hilfe gesucht hat. Letzten Endes scheint er sich nicht bewusst gewesen zu sein, welches Erdbeben er damit ausgelöst hatte, aber im prositiven Sinn. Unzählige depressive Menschen meldeten sich nach der Sendung bei ihm, und erzählten, dass sie sich nun auch Hilfe holen wollen oder beglückwünschten ihn zu diesem mutigen Schritt, dieses Tabu-Thema so offen angesprochen zu haben, und damit vielen anderen Depressiven eine Stimme gegeben zu haben.
Die Sendezeit von "Chez Krömer" reichte gerade einmal dafür, um seinen Fans und allen anderen Zuschauern mitzuteilen, dass er Depressionen hat und wie die sich darstellen.
Um etwas weiter ausholen zu können, hat er mit dem Buch "Du darfst nicht alles glauben, was Du denkst - Meine Depression" seine Krankheitsgeschichte offengelegt. Auch wenn Alexander Bojcan, wie Krömer mit richtigem Namen heißt, darin so schreibt, wie man seine Bühnenfigur kennt, so greift er sehr ernste Themen und Situationen aus seinem bisherigen Leben auf. So wird unter anderem bekannt, dass er alleinerziehender Vater dreier Kinder ist, dass er jahrelang alkoholkrank war, um sich von seinen düsteren Gedanken abzulenken, und wie er trotz seines großen Erfolgs und seiner zahlreichen Auszeichnungen unter seinen Krankheiten gelitten hat. Er beschreibt auch die Schwierigkeiten, die er hatte, als Komiker ernst genommen zu werden, wenn er versucht hat, anderen zu sagen, wie er sich fühlt, oder dass etwas nicht mit ihm stimmt.
Er schreibt in seinem Buch ebenso offen über Therapiegespräche wie auch Erektionsstörungen, seinen Klinikaufenthalt oder seine Ängste, wie sie viele andere Betroffene auch kennen. Doch hat es dieses Buch und diese Offenheit eines Prominenten gebraucht, um das Thema Depression wieder in die Öffentlichkeit zu tragen und hoffentlich ausführlicher zu diskutieren.
Nach dem Selbstmord des Bundesliga-Torwarts Robert Enke im Jahre 2009, der jahrelang unter Depressionen litt, die aber insbesondere im Spitzensport ein absolutes Tabu-Thema darstellen, wollte man offener über solche Themen diskutieren, sehen, wie die Politik helfen kann, neue Behandlungsmöglichkeiten und Therapieplätze zu schaffen. Die Jahre sind vergangen, doch viel getan hat sich nicht, im Gegenteil. Die Pandemie hat gezeigt, dass der Bedarf an Behandlungen dramatisch zugenommen hat, das deutsche Gesundheitssystem aber nicht darauf vorbereitet ist. Statt zeitnahe Therapiemöglichkeiten aufzuzeigen, raten einige Krankenkassen weiterhin zu Ruhe und Spaziergängen, die aber keine Probleme lösen, schon gar keine Depressionen.
"Du darfst nicht alles glauben, was Du denkst" kommt da zur richtigen Zeit, um erneut auf die ungelösten Probleme hinzuweisen, aber auch, um Betroffenen Mut zu machen und deren Angehörigen eine Vorstellung davon zu geben, wie sich Depressionen anfühlen, und dass man eben nicht faul ist, wenn man sich zu nichts aufraffen kann. Ebenso wird deutlich, dass auch depressive Menschen alles tun, um nicht aufzufallen, um keine Schwäche zu zeigen, und weiterhin erfolgreich zu sein. Bemerkenswert sind hier Krömers Gedanken, was passiert, wenn er "geheilt" sein würde, ob er dann noch immer witzig sein und die Erwartungen seines Publikums erfüllen könnte.
Dass er es auf jeden Fall noch drauf hat, beweist er mit diesem großartigen Buch, aber auch mit seinen Teilnahmen an zwei Staffeln von "Last One Laughing".
Kurt Krömer war es darüber hinaus wichtig, dass im Buch-Anhang Telefonnummern und Internetadressen genannt sind, unter denen Informationen und Hilfe für Betroffene und Angehörige angeboten werden.
Dieses Buch wird seine große Anhängerschaft ebenso in seinen Bann ziehen wie depressive Menschen und deren Familien, die dadurch erkennen, dass es auch Prominente treffen kann, Depressionen nichts mit Schwäche zu tun haben, es aber Hilfe gibt, und Depressionen behandelt werden können.
Danke, Kurt!
192 Seiten, gebunden, Verlag Kiepenheuer & Witsch, 20 Euro.