Historische Themen sind immer eine sehr beliebte Basis in Hollywood, um der jungen Generation aufzuzeigen, dass nicht alles so selbstverständlich war, wie wir es heute kennen, und dass manch Entwicklung und Freiheit noch gar nicht so lange besteht. Einen Blick in die späten 1960er Jahre wagt "Call Jane", der nun für das Heimkino auf BluRay und DVD vorliegt.
Joy lebt mit ihrem Mann und der gemeinsamen 15-jährigen Tochter in Chicago, und führt da das typische Leben einer Hausfrau und Mutter in einem Vorort von Chicago. Joy wird noch einmal schwanger. Durch ihren Arzt erfährt sie, dass sie aufgrund einer Herzerkankung lediglich eine fünfzig prozentige Chance hat, die Geburt zu überleben. Das Risiko, bei der Geburt zu sterben, möchte sie nicht eingehen, und möchte das Kind abtreiben lassen. Im Jahr 1968, in der sich diese Situation abspielt, ist das aber nicht so einfach. Der Antrag von Joy und ihrem Mann wird im Ethikgremium des Krankenhauses besprochen, das ausschließlich von Männern besetzt ist. Das sieht das Kindeswohl an erster Stelle, um die Mutter machen sie sich keine Gedanken, und somit lehnen sie den Antrag ab. Alternativ kann sie bei Suizid-Gedanken, die durch zwei Fachleute bestätigt wurden, die Schwangerschaft beenden, ebenso wird ihr ein Sturz von der Treppe empfohlen. In ihrer Verzweiflung sucht sie eine Möglichkeit, einen Schwangerschaftsabbruch illegal durchführen zu lassen. Fündig wird sie bei "Jane", wo die Abtreibung letztendlich gegen eine Gebühr von 600 Dollar durchgeführt wird. In dem Kreis der Frauen, die sie dort antrifft, erfährt sie, dass hinter "Jane" eine Frauenorganisation steht, die sich verzweifelten Frauen annimmt, insbesondere bei Schwangerschaftsabbrüchen. Ihrer Familie erzählt Joy, sie habe eine Fehlgeburt erlitten.
Joy engagiert sich immer mehr bei "Jane" und übernimmt neue Aufgaben, die sie sich vorher nicht einmal vorzustellen gewagt hat. Sie lernt auch, selbst Abtreibungen vorzunehmen und gibt ihr Wissen weiter an andere Frauen, um so mehr verzweifelten Frauen jedes Alters helfen zu können. Sie vernachlässigt ihre Familie, so dass ihre Tochter dahinter kommt, dass ihre Mutter nicht jeden Tag zum "Malkurs" geht, sondern zu "Jane". Langsam wird sich Joy ihrer Arbeit und der Gefahr, der sie sich damit aussetzt, bewußt.
Der Film liegt auf BluRay in der deutschen und englischen Sprachfassung (DTS-HD MA 5.1) vor. Extras gibt es keine.
Die Drehbuchautorin Phyllis Nagy, die in "Call Jane" ihre zweite Regiearbeit vorlegt, inszeniert eine fesselnde Geschichte, die zum Teil auf wahren Begebenheiten rund um das "Jane"-Kollektiv beruht, das in einem Zeitraum von vier Jahren verdeckte Abtreibungen ermöglichte. In dieser Zeit wurden in Chicago 12.000 Abtreibungen durchgeführt, und keine der Frauen ist an den Folgen des Eingriffs gestorben. Erst im Frühling 1973 stellte der Supreme Court die Zulässigkeit von Abtreibungen fest.
Nagy erzählt die Geschichte trotz all ihrer Brisanz sehr unaufgeregt und empathisch, so dass man die Not der gezeigten Frauen jederzeit nachvollziehen kann.
Die Hauptrollen werden übernommen von der viel zu sehr unterschätzten Schauspielerin und Regisseurin Elizabeth Banks, die die neugierige, entschlossene und charakterstarke Joy spielt. Daneben ist Sigourney Weaver in der Rolle der Virginia, der Leuterin des "Jane"-Kollektivs. Corey Michael Smith übernimmt die Rolle des Abtreibungsarztes Dean.
Auch mehr als ein halbes Jahrhundert später ist diese Geschichte noch oder besser wieder aktuell, nachdem in den USA das Abtreibungsrecht der einzelnen Bundesstaaten neu geregelt wird.
"Call Jane" wirft dringende Fragen über systemische Barrieren, die sich ständig verändernde Natur der Politik und den Kampf der Frauen um die Kontrolle über ihren Körper auf. Bis vor einigen Jahren hätte niemand gedacht, dass ein solches Thema wieder so aktuell und brisant werden könnte.
"Call Jane" ist ein wichtiger Film, der mit Wucht auf das schwierige Thema der Abtreibungen zeigt. Dabei verliert der Film niemals den Blick auf die in Not geratenen, hilfsbedürftigen Frauen, die oftmals in ihrer Entscheidung alleine gelassen werden, und dabei einfach keinen anderen Ausweg sehen, mit einer meist ungewollten Schwangerschaft fertig zu werden.
Der Film zeigt aber auch die Gefahr auf, in die politische Entscheider Frauen bringen können, wieder mit den selben Problemen fertig werden zu müssen, die man vor 50 Jahren für gelöst gehalten hat.
"Call Jane" ist kein Film, der gute Stimmung verbreitet oder den man nebenher sehen sollte, der Film verlangt die volle Aufmerksamkeit seiner Zuschauer, und hinterlässt sie sehr nachdenklich. Dennoch oder gerade deswegen sollte der Film gesehen werden!
USA 2022, 124 Minuten
mit Elizabeth Banks, Sigourney Weaver