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Detroit

In Hollywood sind derzeit Geschichten sehr beliebt, die auf wahren Begebenheiten in der jüngeren und jünsten Geschichte der USA basieren. Insbesondere die Vergangenheitsbewältigung beschäftigt die Filmstudios sehr. Nimmt man zu einem brisanten Stoff noch die Crème de la Crème in Cast und Crew, kommt unweigerlich ein Film dabei heraus, der sich sofort für die Shortlist für den Oscar empfiehlt. Dass es nicht immer so kommen muss, zeigt einmal mehr "Detroit", der nun für das Heimkino verfügbar ist.

Detroit im Jahre 1967. Viele schwarze Arbeiter sehen ihr berufliches Glück in den Nordstaaten und ziehen mit ihren Familien hin, um dort Arbeit bei den großen Automobilherstellern zu finden. Die weiße Bevölkerung zieht indes in die Vororte, und so werden ganze Stadtviertel den Schwarzen überlassen, was die sozialen Unruhen nur noch verstärkt. Die zumeist weißen Polizisten regieren in den Vierteln, und viele versuchen nicht einmal mehr, ihren Rassismus zu unterdrücken, und leben sich bei Razzien und Verfolgungen aus.
Nachdem in einem sogenannten After-Hour-Club, einem Club ohne Konzession, eine Razzia stattgefunden hat, und die zumeist weißen Polizisten zahlreiche Schwarze festnehmen, werfen die Anwohner Steine auf die Polizisten. Diese Szene eskaliert schnell, so dass diese Razzia den Auftakt der zweitschwersten gewaltsamen Unruhen sowie Bürgeraufständen der USA darstellt. Die hilflose Politik beordert die Nationalgarden sowie die Armee in das Viertel, um wieder Ordnung in die Stadt zu bringen. In einem Umkreis von 150 Blocks wurde der Ausnahmezustand verhängt, der vor allem von Gewalt gegen Polizisten und Plünderungen gekennzeichnet ist.

Der afroamerikanische Wachmann Melvin Dismukes ist in der Nähe, als scheinbar aus einem Motel auf die versammelte Staatsgewalt geschossen wird. Polizisten aus Detroit wie auch der Wachmann stürmen zum "Algier Motel", wo sie auf junge Leute treffen, die eigentlich nur Party machen wollten. Die Motel-Gäste werden in die Lobby geführt, wo sie vom hasserfüllten, aggressiven, rassistischen Polizisten Philip Krauss in die Mangel genommen werden. Er will den schwarzen Jugendlichen eine schwere Straftat beweisen, kann aber keine Waffe finden. So muss er sich etwas einfallen lassen, und wenn es um die Verdrehung von Fakten geht, kann er sehr kreativ werden. Am Ende sterben bei diesem Einsatz drei afroamerikanische Männer, sieben weitere schwarze Männer und zwei weiße Frauen werden durch brutale Schläge schwer verletzt. Der Wachmann Dismukes versucht alles, um de-eskalierend zu wirken, und die Situation wieder unter Kontrolle zu bringen.

Der Film liegt auf BluRay in der deutschen (DTS-HD Master Audio 5.1 und Dolby Digital 2.0) und englischen (DTS-HD Master Audio 5.1) Sprachfassung vor. An Bonus-Material finden sich neben fünf sehr kurzen Featurettes noch das Musikvideo “Grow” mit Algee Smith und Larry Reed sowie eine Bildergalerie.

Braucht man die Frau für's Grobe, bedient sich Hollywood inzwischen gerne der mit dem Regie-Oscar ausgezeichneten Kathryn Bigelow, die sich in eindrucksvoller Weise der jüngsten US-Geschichte gewidmet hat, unter anderem mit dem Einsatz der US-Truppen gegen die sogenannten "Schurkenstaaten", dargestellt in "Tödliches Kommando" und "Zero Dark Thirty".

In "Detroit" nimmt sie die Zuschauer auf eine irre Reise mit. Zu Beginn des Films gibt es irritierend lange Originalaufnahmen zu sehen, die sehr schnell geschnitten wurden und den Anschein haben, als seien sie eher zufällig aneinander gereiht worden. Fast schon kann man den Eindruck gewinnen, dass ein Dokumentarfilmer aus Versehen in die Unruhen von Detroit geraten ist, und alles vollgepumpt mit Adrenalin mit seiner Handkamera gefilmt hat. Fast schon unerträglich lange wird der Zuschauer dann mit den ausufernden Ereignissen im "Algier Motel" konfrontiert, in der sich aufgestauter Hass und ungezügelter Rassismus der weißen Polizisten gegenüber unschuldigen Motelgästen entladen.
Recht kurz scheinen dagegen die Ermittlungen sowie das Gerichtsverfahren gegen drei weiße Polizisten zu kommen, so dass der Film nach einer fast zweieinhalb stündigen nervenaufreibenden Odyssee mit einer Erklärung der wahren Ereignisse endet.

Das Drehbuch des Oscar-prämierten Drehbuchautors Mark Boal stützt sich auf die wahren Ereignisse, soweit sie bekannt sind, und so erklärt der damalige Wachmann Melvin Dismukes in einer der Featurettes, dass sich tatsächlich 99,5 Prozent der dramatischen Filmhandlung genau so vor 50 Jahren abgespielt haben.

Die Besetzung des Film ist mit John Boyega, Will Poulter, Algee Smith, Jason Mitchell und John Krasinski hochkarätig und prominent besetzt, die ihr gesamtes Können auf ihre Rollen fokussieren und mitunter bis zur Schmerzgrenze spielen.

Ganz sicher ist "Detroit" ein sehr wichtiger Film in der Aufarbeitung der mitunter sehr brutalen US-Geschichte. Ebenso sicher ist auch, dass "Detroit" keine leichte Kost und schon gar kein Film für einen netten Samstagabend darstellt, weshalb er in den deutschen Kinos eher durchwachsen gelaufen ist. Diesen Film muss man sehen wollen, damit kann man sich nicht einfach nebenher berieseln lassen.

Auch, wenn "Detroit" in keiner Kategorie für die Oscars nominiert wurde, bleibt er ganz sicher ein überaus herausragender Film, der deutlich mehr Beachtung verdient als er im Kino bekommen hat.

Ein ganz starker Film, der niemanden kalt, und insbesondere über das erschreckende Ende noch lange nachdenken lässt.

Pascal May
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