Deutsche Künstler haben es in den USA nicht leicht, weder beim Film, noch in der Musik. Aber ab und zu gelingt es doch ein paar Wenigen, das amerikanische Showbiz aufzumischen und auf den höchsten Chartplätzen vertreten zu sein oder gar Auszeichnungen zu bekommen. Eine Gruppe, der das alles gelungen ist, war die Pop-Formation "Milli Vanilli", die einen rakretenhaften Aufstieg schafften, aber ebenso schnell abgestürzt sind. Nun liegt der Film über Rob und Fab für das deutsche Heimkino vor.
Einfach hatten es Rob und Fab nie, als sie aufgewachsen sind. Rob wurde als dunkelhäutiges Kind von einer deutschen Familie adoptiert, die das wohl nur aus Imagegründen getan haben. Das Kind wollte schon immer Sänger oder Tänzer werden und begeisterte sich für die Musik von "Boney M.". Der Tänzer Fab wuchs in Frankreich ohne Vater auf und kam nach Deutschland, weil er dachte, dass er da einfacher hätter, als einziger dunkelhäutiger Tänzer. In Frankreich gab es zu viele davon. Zufällig treffen sich die beiden Tänzer 1988 und arbeiten von da ab zusammen. Sie schaffen sich synchrone Choreografien drauf, ändern ihren Look und tanzen in der legendären Münchner Disco "P1" zu den Songs, die gespielt werden. Dort werden sie von Ingrid „Milli“ Segieth, der Mitarbeiterin und Freundin von Produzent Frank Farian, entdeckt und ihrem Chef vorgestellt. Der ist ganz begeistert von ihnen, macht ihnen aber schnell klar, dass er sie nicht als Sänger, sondern lediglich als Performer braucht, da die Songs schon längst aufgenommen seien. Da die beiden Tänzer davon ausgehen, dass das nur für den Start ihrer Karriere gelte, und sie dann später eine eigene Platte einsingen würden, gehen sie auf das Angebot ein.
Die deutsche Plattenfirma, bei der Farian unter Vertrag steht, ist wenig begeistert von dem neuen Popprojekt und findet auch den Namen der Formation blöd. So zieht Produzent Farian selbst los, um "Milli Vanilli" in Großbritannien groß zu machen, was ihm schnell gelingt. Rob und Fab haben schnell eine große Fangemeinde, nachdem die Radios ihren Song "Girl You Know It's True" rauf und runter spielen, und als sie zu Auftritten nach London kommen, sind sie überwältigt von dem Hype, der um sie gemacht wird. Schnell wird auch eine US-amerikanische Plattenfirma auf die beiden aufmerksam, und wollen sie in den USA vermarkten. Die schwerfällige deutsche Plattenfirma merkt jetzt erst, welches Juwel sie da am Start haben. Nach Großbritannien und den USA ist der weltweite Erfolg von "Milli Vanilli" nicht mehr aufzuhalten, auf der ganzen Welt toppen ihre Singles die Charts. "Blame It On The Rain", ein Song, der eigentlich für Whitney Houston geschrieben wurde, wird von "Milli Vanilli" in Deutschland eingespielt, wo weiterhin die beiden echten Sänger Charles Shaw und Brad Howell im Studio stehen. Rob und Fab tanzen weiterhin zu den Songs und bewegen synchron die Lippen.
1990 werden "Milli Vanilli" als "Best New Artists" für den Grammy Award nominiert und gewinnen den Preis. Erstmals in der Geschichte des Emmy wird ihnen erlaubt, Playback zu singen. Als Rob und Fab immer mehr vom Erfolg verwöhnt Drogen und Alkohol konsumieren, sich für die größten Musiker überhaupt halten und anfangen, Bedingungen zu stellen, zieht Frank Farian in einer Pressekonferenz den Stecker und erklärt der Welt, dass weder Rob noch Fab jemals nur eine Note der Songs selbst gesungen hätten und "Millie Vanilli" nur ein Performance-Projekt war. Das ist der Auslöser für den blitzschnellen Abstieg der beiden Künstler.
Der Film liegt auf DVD in der deutschen und englischen Sprachfassung (Dolby Digital 5.1) vor. An Extras finden sich Interviews mit den Darstellern und Regisseur und Drehbuchautor Simon Verhoeven sowie die Musikvideos von "Milli Vanilli".
Ungewöhnlich für einen deutschen Film wurde "Girl You Know It's True" aufgrund der internationalen Relevanz des Themas mit einer internationalen Besetzung auf englisch gedreht. Matthias Schweighöfer, der inzwischen einige internationale Bekanntheit durch Netflix-Filme erlangt hat, spielt den Pop-Produzenten Frank Farian. Das tut er so gut, dass man ihm den perfektionistischen Vollblut-Produzenten, der immer bodenständig geblieben und akribisch gearbeitet hat, zu jeder Zeit abnimmt. Rob Pilatus wird gespielt von Tijan Njie, Fab Morvan vom französischen Schauspieler Elan Ben Ali. Hier haben Casting, Make Up und Friseure hervorragenden Arbeit geleistet, denn die beiden sind den echten "Milli Vanilli" wie aus dem Gesicht geschnitten und bewegen sich ebenso professionell wie die beiden Originale.
Filmemacher Simon Verhoeven, der bereits mit "Willkommen bei den Hartmanns", "Männerherzen" und "Night Life" nationale Erfolge feierte, wirft in "Girl You Know It's True" immer wieder die Frage auf, ob Rob und Fab Opfer des Musikbusinness waren, oder ob sie nicht auch davon profitiert haben, weil sie den Erfolg genauso wollten, wie alle anderen auch. Diese Frage ist tatsächlich nicht so einfach zu beantworten, und lässt die Zuschauer nachdenklich zurück. Trotz des riesigen Erfolgs ihrer Musik bleiben Rob und Fab die Sündenböcke, auch wenn sie nur Teil eines großen Betrugs waren.
Frank Farian, der in dem Film recht kritisch dargestellt wird, hat die Vorbereitungen und Dreharbeiten mit Rat und Tat unterstützt. Nur vier Wochen nach der Premiere von "Girl You Know It's True" ist er in Miami verstorben, hat sich aber noch mitfreuen können, als der Film mit dem "Bayerischen Filmpreis" als bester Film und die beiden Hauptdarsteller als bester Nachwuchs ausgezeichnet wurde.
Die Geschichte um Aufstieg und Fall von "Milli Vanilli" hat die ganze Welt bewegt, und das noch in einer Zeit, in der es noch keine Sozialen Medien gegeben hat. Der weltweite Erfolg von Rob und Fab wäre heute nur mit dem von Taylor Swift zu vergleichen.
Nach dem Bekanntwerden, dass die beiden nie gesungen haben, wurden sogar ihre LPs, CDs und MCs öffentlichkeitswirksam von Walzen überrollt und vernichtet, das amerikanische Plattenlabel hat gar enttäuschten Fans das Geld für das Album und die Singles zurückerstattet. Es gab weltweit große Trauer und Hysterie, wie man sie erst wieder nach Auflösung von "Take That" erlebt hat.
"Es ist doch nichts passiert", sagte der "Musikwahnsinnige" Frank Farian in der Enthüllungs-Pressekonferenz, was deutlich untertrieben ist. Fans auf der ganzen Welt, die sich für die herausragende Musik und Performance von "Milli Vanilli" begeistert haben, wie auch die Musikwelt, wurden getäuscht. Die Grammys mussten zurückgegeben werden, die Platten wurden aus dem Katalog genommen, die Welt-Tournee wurde gecancelt. Natürlich kommt auch der Größenwahn von Rob und Fab dazu, den sie entwickelt hatten, nachdem sie von null auf hundert riesigen Erfolg hatten und die weltweite Aufmerksamkeit bekommen haben. Dazu kamen noch reichlich Drogen und Alkohol, die ihren Absturz nur noch beschleunigt haben.
Produzenten und Plattenlabel waren für sie da, als sie große Gewinne einbrachten, danach waren alle weg und haben Rob und Fab alleine gelassen.
Regisseur und Drehbuchautor Simon Verhoeven ist mit "Girl You Know It's True" ein großartiger Film gelungen. Wer diese Zeit damals miterlebt hat, kann sich an viele Szenen und Bilder erinnern, die durch die Medien gehen und kennen auch die großen Erfolge von Rob und Fab. Auch die Mode mit Schulterpolster und Leggins löst etwas in dieser Generation aus. Wer "Milli Vanilli" nicht erlebt hat, der bekommt einen Film geboten, der die Probleme des schnellen Erfolgs aufzeigt, der rasch zu einem Absturz führen kann, wie er heutzutage für Influencer und andere Online-Helden immer häufiger vorkommt.
Dieser Film ist nicht nur ein toll gefilmtes Stück Musik- und Zeitgeschichte, er ist auch herausragende Unterhaltung mit einer bemerkenswerten Besetzung!
D 2023, 120 Minuten
mit Matthias Schweighöfer, Tijan Njie, Elan Ben Ali