Was spannende Krimi-Serien aus Europa angeht, hat bisher vor allem Skandinavien den Ton angegeben. Dass aber auch hohe Qualität, die sich locker mit Angeboten aus den USA messen lassen kann, aus dem kleinen Belgien kommen kann, zeigt "Public Enemy" in sehr eindrücklicher Weise. Nun ist dieser international anerkannte Serie auch für das Heimkino verfügbar.
In den 1990er Jahren ging Angst und Schrecken um, als ein Serienkiller umgeht, und Kinder ermordet. Am Ende wird der Serienkiller Guy Béranger festgenommen und zu einer Gefängnisstrafe von 30 Jahren verurteilt. Nach Absitzen von zwei Dritteln der Strafe wird er unter Auflagen und unter lautem Protest der Bevölkerung frei gelassen. Er wird von einem Kloster aufgenommen, wo er von Polizisten bewacht wird. Auf eigenen Wunsch möchte er sich der Klostergemeinschaft anschließen und wird Novize. Doch selbst innerhalb des Klosters sieht man die Aufnahme des Mörders kritisch.
Während sich Béranger im Kloster aufhält, werden zwei weitere Kinder ermordet und alle Hinweise zeigen auf den Kindermörder. Chloe Muller, Polizistin aus Brüssel mit massiven Problemen in ihrem Privatleben und bei der Arbeit, wird von ihren Vorgesetzten in die Ardennen abgestellt, um den Schutz von Béranger zu gewährleisten. Sie ist davon überzeugt, dass der verurteilte Kindermörder nichts mit den neuen Morden zu tun hat, doch mit dieser Meinung steht sie alleine. Die Bewohner des kleinen Ortes formieren sich und verlangen, dass Béranger stirbt oder zumindest wieder ins Gefängnis zurück geht. Die Polizistin muss schnell und dennoch gründlich ermitteln.
Die erste Staffel der belgischen Serie liegt auf DVD in der deutschen und französischen Sprachfassung (Dolby Digital 2.0) vor. An Extras bietet die Serie lediglich ein rund 20-minütiges Making Of.
Lose angelegt ist die Serie an die realen Vorfälle um den Kindermörder Marc Dutroux, der mehrere Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 8 und 19 Jahren sexuell missbraucht und getötet hat. Zwei achtjährige Mädchen, die er zuvor entführt hatte, verhungerten in ihrem Versteck, während Dutroux im Gefängnis war. Dutroux verbüßt weiterhin eine lebenslange Haftstrafe. Seine damalige Ehefrau und Komplizin, Michelle Martin, wurde zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt und nach 16 Jahren aus der Haft entlassen.
Die Macher der Serie wollten die Idee weiterspinnen, wie ein verurteilter Möder, der wieder in Freiheit kommt, von der Öffentlichkeit aufgenommen wird, und wie er sein neues Leben führen kann. Wie würde jeder selbst reagieren, wenn er wüßte, dass ein verurteilter Kindermörder in seine Nachbarschaft ziehen würde, der seine Strafe verbüßt hat? Die moralische Frage wird gestellt, ob ein verurteilter Mörder, der seine Strafe verbüßt hat, für immer ein Mörder bleibt oder ob er nun ein Recht darauf hat, ein normales Leben führen zu dürfen.
Ein sehr junges Team, allesamt um die 30 Jahre alt, haben diese herausragende Serie geschaffen, sie geschrieben, produziert und realisiert. Das belgische Fernsehen RTBF hat ihnen dabei freie Hand gelassen, so dass das Team um Showrunner Matthieu Frances ihre Vision umsetzen konnten. An siebzig Tagen wurden alle zehn Teile zu 52 Minuten gedreht, was an sich schon eine enorme Herausforderung darstellt. Dazu kommt, dass keine Szene im Studio sondern alles on set gefilmt wurde. Um möglichst gut auf den Dreh vorbereitet zu sein, probte das gesamte Team vier Wochen lang mit den Darstellern, eine für eine TV-Serie sehr unübliche Herangehensweise, die sich aber bezahlt macht, weil man die hohe Qualität sieht.
Die Besetzung mit in Deutschland eher unbekannten Darstellern ist handverlesen und herausragend. Stephanie Blanchoud verkörpert die toughe Polizistin aus der Stadt Chloe Muller sehr überzeugend, Jean-Jacques Rausin spielt Michael Charlier, den ortsansässigen Polizisten, Clement Manuel gibt den Novizenmeister des Klosters Lucas Stassart, der vor sich und seinem bisherigen Leben davon läuft. Angelo Bison hat den Part des verurteilten Kindermörders Guy Béranger, der immerzu versucht, seine Umwelt zu manipulieren und dem man auch weitere Morder zutraut, dem mit der Zeit jedoch nicht nur Chloe vertraut. Philippe Jeusette und Laura Sepul spielen das Ehepaar Stassart, das mit finanziellen und ehelichen Problemen zu kämpfen hat, und Bruder und Schwager Vincent immer wieder aus der Patsche helfen.
Allesamt wie auch alle anderen Schauspieler zeigen ein herausragendes Spiel, so dass man sich als Zuschauer in die Geschichte fallen lassen kann und am besten alle zehn Folgen dieser komplexen Krimi-Serie genießt.
Auch international hat "Public Enemy - Staffel 1", die bereits 2016 im belgischen Fernsehen lief, große Erfolge zu verzeichnen, so lief sie auch in Frankreich, Skandinavien, Deutschland, Großbritannien, Spanien, Polen und Australien so erfolgreich, dass derzeit eine zweite Staffel vorbereitet wird.
Wer intelligent und spannend gemachte Krimi-Serien auf höchstem Niveau mag, wird mit dieser komplexen Geschichte bestens bedient, denn selten hat eine TV-Serie derart gefesselt und auf höchstem Niveau unterhalten. Die insgesamt 522 Minuten vergehen wie im Flug, bis es zu einer sehr überraschenden Auflösung der Geschichte kommt. Die Hinweise am Ende der letzten Folge machen jetzt schon Lust darauf zu erfahren, wie es mit der Brüsseler Polizistin Chloe Muller weitergeht. Hoffentlich sehr bald!
B 2016, 522 Minuten
mit Stephanie Blanchoud, Jean-Jacques Rausin,
Clement Manuel, Angelo Bison, Philippe Jeusette,
Laura Sepul, Vincent Londez