In jüngerer Vergangenheit haben die britischen TV-Sender verschiedene Mini-Serien produziert, die die Entführung oder das Verschwinden von Kindern zum Thema hatten, darunter die preisgekrönten Serien wie "Broadchurch" oder "Thirteen". Das Thema an sich ist schon schrecklich genug, doch ist es den Autoren jedes Mal gelungen, eine äußerst spannende Handlung zu schreiben, um den Spannungsbogen über die gesamte Serie zu halten. Ein weiteres Beispiel britischer Serien-Kunst zu diesem Thema ist "The Missing", ein Achtteiler der BBC.
Während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 macht Familie Hughes Urlaub in Nordfrankreich. Vater Tony, Mutter Emily und der fünfjährige Sohn Oliver genießen die Zeit im sommerlichen Frankreich, bis ihr Auto den Geist aufgibt. Gestrandet in Châlons du bois kommen sie im Hotel l'Eden unter und versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Tony und Oliver gehen ins Freibad während Emily im Hotel bleibt. Nach dem Baden wollen Vater und Sohn noch etwas trinken und kämpfen sich durch den Trubel in der Kneipe, weil gerade das Halbfinalspiel zwischen Portugal und Frankreich im Kneipen-Fernseher läuft. Tony lässt seinen Sohn nur einen Moment los, als der plötzlich verschwunden ist. Tony sucht seinen Sohn überall, kann ihn aber nicht finden. Die alarmierte Polizei sperrt umgehend die Gegend weiträumig ab, doch der kleine Oliver bleibt verschwunden. Der erfahrene Ermittler Julien Baptiste wird aus Paris herbei gerufen, um die Ermittlungen zu führen, doch auch der kann Oliver nicht auffinden. Gerüchte um den Verbleib des Kindes machen die Runde, und auch Tony selbst gerät in Verdacht.
Acht Jahre später ist Tonys und Emilys Ehe längst am Ende und geschieden. Emily ist in einer neuen Beziehung und steht kurz vor der Hochzeit, während Tony, der sich die Schuld am Verschwinden des kleinen Oliver gibt, nie damit aufgehört hat, seinen Sohn zu suchen. So kehrt er einmal mehr nach Châlons du bois zurück, um Passanten zu befragen, alte Akten zu studieren und eigene Ermittlungen zu führen. Julien schließt sich dem verzweifelten und inzwischen alkoholkranken Vater an, als sie tatsächlich auf neue Spuren stoßen. Alles ist wieder offen, und plötzlich scheint Olivers Verschwinden einen besonderen Hintergrund zu haben. Selbst Emily schöpft wieder Hoffnung, und reist nach Nordfrankreich, um den Beiden zu helfen. Doch wohin führen die Ermittlungen?
Die TV-Serie liegt auf drei DVDs in der deutschen und der englischen Sprachfassung (Dolby Digital 5.1) vor. Die französischen Dialoge werden weitgehend nicht übersetzt sondern nur untertitelt. An Extras finden sich kurze Kommentare zu jeder Folge sowie kurze Featurettes zur Serie.
Von Anfang an erinnert der Fall des verschwundenen Oliver in "The Missing" an den Fall der kleinen Maddie McCann, die im Jahre 2007 aus einer Ferienanlage in Portugal verschwunden ist und bis heute nicht aufgefunden werden konnte. Die jahrelange Suche, die immer wieder neu aufgenommenen Ermittlungen und das weltweite Medienecho machten den Fall weithin bekannt.
In "The Missing" wird die Verzweiflung der Eltern in den Mittelpunkt gestellt und damit verstärkt, dass zahlreiche Szenen mit wackeliger Handkamera gedreht wurden. Das herausragende Spiel der Hauptakteure und eine teilweise sehr beklemmende Bildsprache machen diese Mini-Serie zu einem sehr intensiven Erlebnis, das bei seinen Zuschauern noch lange nachhallt. Nicht umsonst wurden die Serie, die Produktion sowie die Darsteller, allen voran James Nesbitt, Fances O’Connor und Tchéky Karyo, für zahlreiche Preise nominiert und mit vielen Auszeichnungen bedacht.
Auch wenn die Serie in England und Frankreich spielt, wurde sie fast komplett in Belgien produziert, dies aber auf höchstem Niveau.
Das bis ins kleinste Detail ausgefeilte Drehbuch von Harry und Jack Williams beschreibt die Verzweiflung der Eltern und die äußerst belastende Suche nach ihrem kleinen Sohn höchst intensiv bis zur Schmerzgrenze. Die Geschichte spielt in zwei Zeitebenen, zwischen denen immer wieder hin und her gesprungen wird, was zumindest zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig ist. Dazu gibt es verschiedene Nebenhandlungen, deren Bedeutungen erst im Laufe der Serie klar werden. Die plötzlichen Wendungen im Plot treffen die Zuschauer derart unvermittelt, dass die zum Ende jeder Folge und vor allem am Ende der Serie mit offenem Mund fassungslos vor dem Fernseher sitzen.
Bereits 2014 in Großbritannien und den USA mit großem Erfolg ausgestrahlt, lief die erste Staffel von "The Missing" schon ein Jahr später im deutschen Bezahl-Fernsehen. Nun liegt diese ausgezeichnete Serie endlich auf DVD und BluRay vor und läuft zeitgleich zur Veröffentlichung im öffentlich-rechtlichen Programm.
Eine zweite Staffel wurde inzwischen gedreht, die aber mit der Story dieser Staffel nichts zu tun hat.
Ganz sicher ist "The Missing" keine leichte Kost, aber absolut lohnenswert und süchtig machend. Am besten, die ganze erste Staffel am Stück ansehen, denn wer diese Serie erst einmal angefangen hat, wird schnell zur letzten Folge kommen wollen, die ein sehr überraschenden Finale bereit hält.
GB/B 2014, 480 Minuten
mit James Nesbitt, Fances O’Connor, Tchéky Karyo